Schnecken: Freund oder Feind?

Diesen Text habe ich in einer Facebook-Gruppe entdeckt und für so genial befunden, dass ich ihn an dieser Stelle teilen möchte.

Autorin: Stefanie Staats

Wen interessiert schon….der Nützling Schnecke? Wenn sich Gespräche um Schnecken drehen beginnt dies meistens mit einem Klagen. Die Horrorgeschichten zum Thema Schnecken sind riesig. Es ist die Rede davon das sie alles auffressen und sowieso zu nichts nutze sind ausser um den gartenliebenden Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Über das Leben der Schnecken wird selten gesprochen. Dafür umso mehr wie man die Tiere bekämpft und vernichtet. Schneckenkorn ist in den letzten Jahren endlich in Verruf gekommen und wird, hört man sich um, praktisch von niemanden mehr benutzt. Schaut man sich jedoch den aktuellen Markt dazu an werden diese Worte bereits gestraft. Nachwie vor ist Schneckenkorn zu bekommen und die Absätze sind auch nicht gravierend eingebrochen. Offensichtlich wird Schneckenkorn also auch nach wie vor eingesetzt, egal wie sehr beteuert wird das man selbst es natürlich nicht benutzt. Aber auch sonst finden sich allerlei Ideen zur Bekämpfung. Allen gemein ist das die Tiere leiden. Bierfallen werden aufgestellt damit die Tiere darin ertrinken. Oder sie werden abgesammelt und in einen Beutel mit Salz getan damit sie sich tot laufen. Allseits beliebt ist auch die Methode Schnecken mit der Schere in zwei Teile zu schneiden. Solche Aktionen verstossen, in meinen Augen, gegen das Tierschutzgesetz. Darin heisst es nämlich ganz klar das keinem Tier ein vermeidbares Leid zugefügt werden darf. Welche Schmerzen die Weichtiere dabei erleiden, kann sich wohl kaum ein Mensch wirklich vorstellen. Aber der Zweck heiligt schliesslich die Mittel. Zum Schutz des Garten und der geliebten Pflanzen ist scheinbar jedes Mittel Recht. Schliesslich, so weiss es praktisch jeder Gärtner zu berichten, sind Schnecken nutzlos und verfressen.Ich muss jedoch sagen, Schnecken sind weder nutzlos noch sinnlos verfressen. Vielmehr ist es wieder einmal der Mensch der seinen Blickwinkel ändern müsste.Die Schnecken gehören zu den artenreichsten Vertretern der Weichtiere. Zudem sind sie die einzige Klassen die auch an landlebende Tiere hervorgebracht hat. Aktuell geht man davon aus das Schnecken bereits vor über 500 Millionen Jahren gelebt haben. Zu Beginn lebten die Tiere im Wasser und atmeten über Kiemen. Im Laufe der Evolution bildeten sich bei einigen Arten die Kiemen zurück und dafür entstand eine Lunge. Damit waren die Schnecken in der Lage das Land zu besiedeln. Dieser evolutionäre Schritt geschah vor etwa 88 Millionen Jahren.Wie viele verschiedene Schneckenarten es eigentlich genau gibt, weiss niemand. Die Zahlen beruhen allein auf Schätzungen und schwanken stark. Allgemein wird von etwa 100.000 verschiedenen Arten ausgegangen. Es gibt jedoch auch Schätzungen die von jediglich 43.000 Arten ausgehen. Andere Schätzungen wiederrum vermuten 240.000 Arten allein im marinen Lebensraum. Die an landlebenden Schnecken werden auf etwa 25.000 Arten geschätzt.In Deutschland finden sich ca. 260 verschiedene Landlungenschnecken.Dabei leben längst nicht alle Arten von frischen Jungpflanzen und grossen, chlorophylhaltigen Pflanzen. Die Weinbergschnecke z.B. frisst hauptsächlich welke, vergammelte Blattmasse. Wenn sich Weinbergschnecken über Jungpflanzen hermachen ist der Garten definitiv zu aufgeräumt. Auch wenn Schnecken nicht unbedingt einen Partner benötigen um sich fortzupflanzen, so benötigen doch alle Schnecken etwas zu fressen. Schneckenarten die von abgestorbenenem Pflanzenmaterial leben werden also Jungpflanzen nur anfressen wenn sich die passende Nahrung nicht findet. Dieses Problem lässt sich schnell und einfach lösen indem man den Garten nicht als “zweites Wohnzimmer” betrachtet das möglichst sauber und rein sein soll. Ebenso fressen viele Schneckenarten Algen und Moose. Andere Landlungenschnecken sind bereits als Gegenspieler von anderen Schneckenarten aktiv und dezimieren deren Gelege. Nun könnte das zusammenleben mit der Schnecke so einfach sein wenn sich alle Arten ausschliesslich von abgestorbenem Pflanzengewebe oder dem Gelege anderer Schneckenarten ernähren würden. Jedoch würde dann eine wichtige biologische Aufgabe innerhalb der Schneckenfamilie fehlen. Nämlich die Förderung der Artenvielfalt.Wissenschaftler des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung sind der Frage auf den Grund gegangen warum manche Schneckenarten mit Vorliebe Jungpflanzen oder besonders starke Pflanzen fressen. Dazu haben sie 5 Jahre lang im Frankenwald und im Thüringer Schiefergebirge Bergwiesen unter die Lupe genommen. Genaustens wurde aufgeschrieben was dort kreucht, fleucht und wächst. Im nächsten Schritt wurde auf der Hälfe der Wiese alles Leben mit Gift vernichtet. Dann begann die Zählung von neuem. Die Wissenschaftler hatten damit gerechnet das ohne jeden “Schädling” das pflanzliche Leben geradezu explodiert und eine riesige Vielfalt entstehen würde. Jedoch genau das Gegenteil war der Fall. Das die tierische Artenvielfalt durch den massiven Gifteinsatz abnehmen würde war logisch und zu erwarten. Aber warum nahm die Artenvielfalt bei den Pflanzen ab? Müsste es den Pflanzen nicht ohne Schädlinge deutlich besser gehen? Ohne Schnecken und Käfer fehlte den grossen, durchsetzungsstarken Pflanzen nichts, sie hatten keinen Stress und keinen Schaden. Ungehindert konnten sie sich vermehren und das gesamte Stück einnehmen. Das widerrum wirkte sich auf schwächere und durchsetzungsschwache Pflanzen negativ aus. Die Artenvielfalt nahm also deutlich ab, WEIL “Schädlinge” fehlten.Wenn eine Schnecke also von einer grossen und starken Pflanze frisst schädigt sie zwar die einzelne Pflanze an sich, aber fördert dadurch gleichzeitig die Biodiversität im Gesamten!Damit wäre die Behauptung “Schnecken haben keinen biologischen Nutzen” widerlegt.Im Garten nützt dieses Wissen nur begrenzt. Nicht immer kann man Pflanzen ausbringen und nach rein biodiversitätrelevanten Punkten entscheiden. Aber es gibt mehr Möglichkeiten als Schneckenkorn und zerschneiden. Dazu muss man aber die zweite Aufgabe von Schnecken verstehen und entsprechend für sich nutzen.Wenn gewisse Pflanzen im Garten immer und immer wieder von Schnecken befallen und kahl gefressen werden sollte man nicht die Schnecke gleich verteufeln, sondern sich fragen “Warum?”Allzu oft werden im Garten Dinge eingepflanzt die niemals auf natürlichem Wege dort wachsen würden. Entweder weil der Boden, die Lichtverhältnisse, die klimatischen Bedinungen usw. nicht stimmen. Auch ein zu höher Nährstoffgehalt im Boden verursacht bei Pflanzen Stress. Ein zu hoher Nährstoffgehalt wirkt sich dabei nicht nur negativ auf die Pflanze aus, auch gewisse Raupenarten sterben daran.Ein ungünstiger Standort bedeutet für eine Pflanze, egal ob heimisch oder nicht heimisch, Stress. Stress widerrum kann, genauso wie beim Menschen, der ideale Nährboden für Krankheiten sein. Damit wären wir bei der weiteren Aufgabe von Schnecken. Als Gesundheitspolizei. Indem sie kranke Pflanzen dezimieren verhindern sie auch das Krankheiten grossflächig an allen Pflanzen auftreten. Ebenso fressen sie Aas und Kot und verhindern so ebenfalls ein ausbrechen von allerlei Krankheiten.Aber Pflanzen sprechen auch. Sie signalisieren z.B. wenn sie Stress haben. Schnecken widerrum verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn und wittern gestresste und geschwächte Pflanzen problemlos. Mit besonderer Vorliebe werden eben genau solche Pflanzen gesucht und dezimiert. Auch hier liegt wieder der Schwerpunkt auf der Biodiversität und der Gesundheitserhaltung. Dadurch das die Schnecke die kranke, gestresste und/oder geschwächte Pflanze frisst entsteht der potenielle Platz für eine neue Pflanze. Eine Pflanze die gesund und kräftig auf diesem Standort wachsen kann. Denn der optimale Standort bedeutet für eine Pflanze auch optimale Bedinungen.Wenn bei der Pflanzauswahl auf die Standortbedinungen geachtet wird ersprart man einer Pflanze viel Stress. Dadurch stärkt man die Gesundheit der Pflanze und macht sie automatisch uninteressanter für Schnecken. Zudem wird eine gesunde und starke Pflanze deutlich besser mit einem Schneckenbesuch zu Recht kommen als eine gestresste und kränkelnde Pflanze.Umgekehrt kann man sich diesen Effekt aber auch zu Nutze machen. Indem man der Schnecke ganz bewusst Pflanzen anbietet die gestresst sind. Tagetes ist z.B. eine typische Opferpflanze für Schnecken. Die Tagetes ist ursprünglich auf der südlichen Erdkugel heimisch. Dort sind die klimatischen Bedinungen völlig anders als bei uns. Was wir bei der Tagetes als gesunden Wuchs bezeichnen wäre im Ursprungsland eher ein kümmerlicher Wuchs. Dementsprechend leidet die Pflanze unter ständigen und anhaltendem Stress und ist damit ein gefundenes fressen für Schnecken.Aber auch die Wahl des Saatgutes kann eine grosse Rolle bei Schnecken spielen. Während in alten Gemüsesorten noch eine grosse Anzahl Bitterstoffe vorhanden war, wurde dieser bei Hybrid Saatgut möglichst reduziert. Ein gefundenes Fressen für Schnecken. Diese mögen nämlich auch keine Bitterstoffe. Der Salat in unserem Garten ist ein gutes Beispiel dafür. Eine gute Nachbarin gab ihn mir mit dem Hinweis das er völlig anders schmeckt als andere Salate. Wie ich mittlerweile weiss ist dieser Salat noch eine saatechte Sorte und schmeckt wegen der Bitterstoffe so anders. Während wir den Salat gerne essen, machen die Nacktschnecken einen Bogen darum. Ein weiterer Grund Hybrid Saatgut eher nicht zu verwenden.Ausserdem sollte sich jeder darüber bewusst sein das es in den natürlichen Abläufen nie vorgesehen gewesen ist das alle Pflanzen überleben bzw. keinen Blattschaden erleiden. Die Vorstellung von perfektem Obst und Gemüse ist eine rein menschliche Vorstellung. Ebenso ist es in der Natur nie vorgesehen gewesen das auf einem Gebiet nur eine einzige Pflanze vorkommt. Es ist immer auf ein Gleichgewicht ausgelegt. Bei vielen “Schädlingen” lässt sich beobachten das sie meistens besonders an den Pflanzen sitzen von denen sehr viele vorhanden sind. Das ist aus natürlicher Sicht auch nur logisch. Würden sich all diese Pflanzen erfolgreich vermehren wäre schlussendlich für wenig andere Arten Platz. Auf diese Weise findet nicht nur die Balance “Nützling/Schädling” statt, sondern auch die Balance zwischen den einzelnen Pflanzenarten.Dadurch sind Mischkulturen immer Monokulturen vorzuziehen. Auch das Zusammenspiel aus “Guten und Schlechten Nachbarn” kann einigen Schaden abwenden. Ebenso besitzten Landlungenschnecken auch eine Vielzahl an Feinden. Wem nun der Igel in den Sinn kommen sollte, der irrt. Igel fressen Schnecken eigentlich nur aus Notfällen heraus. Nämlich dann, wenn die eigentliche Nahrung nicht ausreichend zu finden ist. Aber verschiedene Insekten finden Schnecken durchaus interessant. Zum Beispiel frisst der Gemeine Grabkäfer die Gelege von Schnecken. Während der Spinnenkanker, eine Weberknecht Art, auf Landlungenschnecken spezialisiert ist. Bietet man verschiedenen Tieren einen Lebensraum im Garten kann sich auch ein natürliches Gleichgewicht bei Schneckenpopulationen einstellen. Völlig ohne zerschneiden und andere Methoden.Von den 260 verschiedenen Landlungenschnecken in Deutschland können nur 3 Arten einen nennenswerten Schaden im Garten anrichten.Dennoch scheint es, als werden alle Schnecken gnadenlos zur Rechenschaft gezogen für etwas das ihre biologische Aufgabe ist. Die Weinbergschnecke ist mittlerweile so bedroht das sie auf der Roten Liste steht. Unter anderem liegt dies auch an der Tatsache das die Menschen sie zum fressen gern haben. 6 weitere Landlungenschnecken Arten gelten bereits als ausgestorben, um schätzungsweise 18 weitere Arten steht es so schlecht, das auch sie allzu bald den Status 0 erhalten – ausgestorben.Um 204 Arten aller heimischen Binnenmollusken steht es genauso schlecht, das sind unfassbare 63%. Zudem sind über 70% der in Flüssen und Seen lebenden Schnecken und Muscheln stark gefährdet und kämpfen um ihren Fortbestand.Trotz dieser Datenlage vergeht kein Tag auf Facebook wo nicht der Schnecke der Kampf angesagt wird. Dabei verursacht der Mensch eigentlich immer die grössten Probleme.Nun ein Wort zur “Spanischen Wegschnecke”. Praktisch jeder kennt die Geschichte von dieser Schneckenart. Irgendwann eingeschleppt aus Spanien vernichtet sie nun in Deutschland den Salat. Dumm nur das Untersuchungen die “Spanische Wegschnecke” in ihrem vermeintlichen Ursprungsgebiet nirgends nachweisen konnten. Stattdessen hat man mittles DNA Analyse heraus gefunden, das die angeblich invasive Art in Deutschland immer heimisch war und das viele Arten noch gar nicht als eigene Spezies dokumentiert worden sind. Die Gattung Arion ist eine sehr unklare Gattung und müsste dringend mehr erforscht werden. Aber wen interessieren schon die Wegschnecken (Arion)? Ein persönliches Wort zu guter Letzt: Mir ist durchaus bewusst, das sich wohl jeder schon über Schnecken geärgert hat. Ich habe mit Staunen beobachtet wie innerhalb von zwei Nächten meine junge Zuchini Pflanze aufgefressen wurde. Unternommen habe ich dagegen jedoch nichts. Weder sammle ich Schnecken ab, noch unternehme ich sonst irgendwas gegen sie. Ich versuche durch meine Art zu gärtnern, das natürliche Gleichgewicht zu fördern. Darüber hinaus plane ich jede Pflanzung eigentlich sehr bedacht. Beginnend beim Saatgut, über den Standort bis hin zu den “Guten Nachbarn”Zudem pflanze ich eigentlich immer etwas mehr als wir eigentlich selbst brauchen. Dadurch ist es für mich keine Katastrophe wenn an einer oder auch mehreren Pflanzen “Schädlinge” anzutreffen sind. Aber selbst wenn es die Schnecken schaffen, eine Pflanze vollständig zu dezimieren, nehme ich es ihnen nicht übel, sondern versuche davon zu lernen.Aus meiner jetzigen Erfahrung kann ich jedoch ruhigen Gewissens im Zusammenhang mit Schnecken sagen: Zwei Pflanzen kann ich bislang als “verloren” melden. In beiden Fällen lag es jedoch an meinem Fehler. Im Fall der Paprika lag es am falschen Standort und im Fall der Zuchini an der Tatsache, das ich in der prallen Mittagssonne nichts besseres zu tun hatte, als eine Jungpflanze raus zu setzen. In beiden Fällen litten die Pflanzen unter Stress und in beiden Fällen haben die Schnecken dies sofort gewittert.Anstatt in menschlichen Begriffen wie “Schädling” zu denken, versuche ich den eigentlichen Sinn hinter dem Tier zu sehen.Der biologische Auftrag der Schnecke ist wesentlich älter als die gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten des Menschen. Ich kann es der Schnecke ruhigen Gewissens nachsehen, wenn sie ihrer Arbeit nachgeht. Meine Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, das sie möglichst wenig Arbeit in meinem Garten wittert. Wir alle Leben auf diesem Planeten. Die Pflanzenwelt schaffte es ohne Probleme Millionen von Jahren mit der Schnecke und anderen “Schädlingen” zu leben. Erst der Mensch hat diese Begriffe erschaffen, geprägt und mit seinem handeln dafür gesorgt, das wir im 6. grössten Artensterben sind. Sollte es nicht möglich sein seinen Blickwinkel zu ändern und die grosse Aufgabe hinter einer kleinen Schnecke zu erkennen? Nämlich nicht den Gärtner zu ärgern, sondern beizutragen für eine gesunde und grosse Biodiversität.

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